Stabile Lieferketten auf der Schiene

25. März 2020
Der Kombinierte Verkehr stemmt sich gegen die Corona-Krise. Ohne Unterstützung ist die Supply Chain aber gefährdet.
Auf der Schiene können große Gütermengen über lange Strecken mit wenig Personal befördert werden. Das ist angesichts der Ansteckungsgefahr mit dem gefährlichen Virus ein enormes Plus. Ein einzelner Lokführer bringe das Volumen von bis zu 50 Lkw ohne Staus über die Grenzen, beschreibt DB Cargo die Vorteile der Bahn. Die Bandbreite der Güter reicht dabei von Medikamenten und Nahrungsmitteln bis hin zu Rohstoffen oder wichtigen Halbfertigprodukten für die Industrie. „Wir fahren alles, was die Kunden wollen“, sagt DB Güterverkehrsvorständin Sigrid Nikutta. Und Kapazitäten gibt es genug.
Hupac: Der Schienengüterverkehr läuft
Selbst im schwer betroffenen Italien, das viele Fabriken aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen hat, stehen nicht alle Räder still. Auch der Corona-Alltag kommt beispielsweise ohne die chemische Industrie nicht aus, wenn man nur an den notwendigen Sauerstoff für Krankenhäuser oder Schutzkleidung für die Ärzte denkt. Und nicht nur für sie gibt es Ausnahmegenehmigungen. „Manche Betriebe können gar nicht runtergefahren werden“, sagt Irmtraut Tonndorf für den Schweizer Kombioperateur Hupac. „Und der Schienengüterverkehr läuft.“
Das berichtet auch die deutsche Kombiverkehr und weitere Güterbahnen. Und das gilt nicht zuletzt für den Rhein-Alpen-Korridor von und nach Italien, wo man sich frühzeitig mit einem „kontaktlosen“ intermodalen Management auf die Krisensituation eingestellt hat und wo jeder Mitarbeiter seine Schicht mit einem Thermoscan beginnt, damit die logistische Krisenkette nicht zerreißt. Auch auf der Brenner- und Tauernachse werden die Loks aufwendig zum Schutz des Personals desinfiziert, berichtet Armin Riedl, Chef des Eisenbahnunternehmens Lokomotion. Und es hilft auch, dass die lokalen Fahrer an den Hupac-Terminals in Norditalien nur einen kleinen Radius von 50 bis 70 Kilometern bedienen.
Sicherstellung der Terminals hat oberste Priorität
„Der KV ist essenziell zur Versorgung der Bevölkerung und Unternehmen“, unterstreicht die Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr (SGKV). Die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Terminals habe europaweit oberste Priorität. Aber auch in der Krise fährt die Schiene nicht ohne Konkurrenz. Der Straße sind reihenweise Aufträge weggebrochen, ganze Lkw-Flotten stehen still, die Lenk- und Ruhezeiten sind weitgehend außer Kraft, das Kabotageverbot steht zur Disposition und der Diesel ist so günstig wie lange nicht.
Mahnende Stimmen befürchten bereits eine Verlagerung von Verkehren weg von der relativ virensicheren Schiene. Derzeit sei die Nachfrage noch stark, berichtet Tonndorf, aber in ein bis zwei Wochen gingen die Volumen zurück, denn eine verlangsamte Wirtschaft benötigt weniger Transporte. Die Schließung von Autofabriken oder Konsumtempeln bleibt nicht ohne Konsequenz.
Lokomotion und Kombiverkehr regen Finanzhilfen an
Es bestehe durchaus die Gefahr, dass Schienensysteme zusammenbrechen, sagt Ralf-Charley Schultze von der Brüsseler KV-Vereinigung UIRR. Wenn zu viel Volumen wegfällt, kommen die Güterbahnen schnell an ihre Grenzen. Armin Riedl fordert daher nicht nur Sonderregelungen für die Lokführer bei behördlichen Maßnahmen, sondern im Falle von Liquiditätsengpässen auch Finanzhilfen, damit die internationalen Güterverkehrskorridore auf der Schiene weiter operieren können. Ohne staatliche Unterstützung wird es nicht gehen.
Die Grünen Trassen
Gemeinsam mit Bahn- und Kombiverkehrsverbänden hat der europäische Spediteursverband Clecat „Grüne Trassen“ für den Schienengüterverkehr an den Grenzen gefordert. Damit die Bahn eine führende Rolle als Rückgrat der Versorgung in Europa spielen könne, wird gefordert:
  • Es müsse es genügend Infrastruktur­ und Terminalkapazitäten geben,
  • die Trassenzuweisung sollte rund um die Uhr laufen,
  • Lokführer oder Werkstattmitarbeiter müssen die Grenzen ungehindert überqueren können,
  • Werkstätten und mobile Teams müssen weiter arbeiten, um Lokomotiven und Waggons am Laufen zu halten,
  • Verkehrsunterbrechungen sollte es nur bei Sicherheitsgefahren geben,
  • Einschränkungen auf nationalen Schienennetzen sollten nur noch in Abstimmung mit Bahnunternehmen und Infrastrukturmanagern der Nachbarregionen erfolgen,
  • Arbeiten an der Infrastruktur sollten den internationalen Güterverkehr möglichst nicht behindern, geplante oder laufende Projekte aber nicht verschoben werden, denn das schaffe keine Kapazität,
  • die Trassen- und Energiepreise sollten gestrichen oder zumindest gesenkt werden, Gebühren für kurzfristige Stornierungen oder Änderungen entfallen,
  • für Operateure wie Bahnunternehmen und Terminals sei eine Steuerbefreiung oder -streckung angesagt.