Länder wollen mehr Strom für die Schiene

09. Nov. 2017
Der Bund soll mit einem Elektrifizierungsprogramm wichtige Lücken im deutschen Schienennetz schließen. Die Verkehrsminister aus sieben Bundesländern haben sich dafür ausgesprochen, mehr Strecken mit Oberleitungen auszustatten und die Elektrifizierungsquote des Bundesschienennetzes von derzeit 60 Prozent auf mindestens 70 Prozent zu steigern. Deutschland habe bei der Elektrifizierung im Vergleich zu anderen EU-Staaten großen Nachholbedarf, betonte die Allianz pro Schiene, die die Minister befragt hatte.
Der Bund müsse mit Elektrifizierungen auch auf das Desaster von Rastatt reagieren, verlangte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): „Wir brauchen ein Sonderprogramm, das elektrifizierte Umleitungen zu allen wichtigen europäischen Güterverkehrsmagistralen schafft“, sagte er. Für saubere Luft und den Klimaschutz werde mehr E-Mobilität gebraucht. Für Bayern sei der Elektrifizierungsgrad von nur rund 50 Prozent ein Anachronismus, betonte Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU). Werde der Anteil des E-Netzes so schnell wie möglich auf 70 Prozent erhöht, ließen sich mehr Stabilität, Kapazität und letztlich auch mehr Angebote und Erlöse im Bahnsystem erreichen.
„Mit dem Ausbau verbessern wir nicht nur die Mobilität für die Menschen, sondern auch für Güter und damit für die Wirtschaft“, unterstrich Brandenburgs Verkehrsministerin Katrin Schneider (SPD). Obwohl Hessen mit 67 Prozent Elektrifizierungsquote deutlich über dem Durchschnitt liegt, ist Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) nicht zufrieden. „Rastatt hat der großen Öffentlichkeit vor Augen geführt, dass unsere Schienenstrecken auf Kante genäht sind. Wir benötigen zusätzliche elektrifizierte Strecken, um bei besonderen Ereignissen Alternativen zur Verfügung zu haben“, sagte Al-Wazir.
Viel zu tun gibt es auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo die die Elektrifizierung von Schienenstrecken als Förderschwerpunkt gesetzlich festgeschrieben ist. Es sei aber dringend erforderlich, dass auch der Bund ein Sonderprogramm auflege, forderte Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU). Er nannte zahlreiche dringliche Beispiele – darunter das Kölner Dieselnetz, die Erftbahn oder die Ruhrtalbahn. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) will die Gelder aus dem Dieselfonds des Bundes nicht nur in die Elektromobilität von Pkw fließen sehen, sondern auch in die Elektrifizierung von Bahnstrecken. Seine Thüringer Amtskollegin Birgit Keller (Die Linke) mahnte Oberleitungen für Regionalbahnen an.
Nach Auswertung amtlicher Zahlen durch die Allianz pro Schiene variiert die Länderquote bei der Elektrifizierung des Schienennetzes von 96 Prozent im Stadtstaat Bremen bis zu 29 Prozent in Schleswig-Holstein. Insgesamt liegt Deutschland beim Bundesschienennetz mit einem Elektrifizierungsgrad von 60 Prozent weit hinter europäischen Spitzenreitern wie der Schweiz (100 Prozent) oder Österreich (70 Prozent).