StVO-Novelle geplant: Branche übt Kritik
Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) plant eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO). Sowohl Logistiker als auch die Fahrradlobby beklagen die angedachten Lösungen.
Die Logistikbranche befürchtet durch die Novelle zusätzliche Erschwernisse für die innerstädtische Belieferung, die Fahrradlobby beklagt halbherzige Lösungen. Stein des Anstoßes in dem Ende September vorgelegten Referentenentwurf ist vor allem die Absicht, Halten und Parken abseits der dafür vorgesehenen Flächen schärfer zu ahnden. Der Entwurf sieht vor, das bisher erlaubte Halten auf Fahrradschutzstreifen komplett zu verbieten und mit einem Verwarngeld von 55 Euro zu belegen. Unerlaubtes Parken kostet bisher nur 20 Euro. Da in den meisten geahndeten Fällen aber auch eine Behinderung vorliegen dürfte, ist mit einem Bußgeld von 70 Euro zu rechnen – und damit auch mit einem Punkt im Flensburger Fahreignungsregister. Die gleiche Eskalationskaskade gilt für das Halten in zweiter Reihe und das Parken auf Geh- und Radwegen. Bei Gefährdung oder Sachbeschädigung wird es noch teurer.
Praktische Bedenken seitens DSLV
Aus Sicht des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) ergeben sich „erhebliche praktische Bedenken, wie diese Vorschriften von den Lieferlogistikern in Städten und Kommunen eingehalten werden können, solange keine Alternativen für die notwendigen Be- und Entladeprozesse geschaffen wurden“. Selbst der Automobilklub ADAC, dessen Pkw-fahrende Mitglieder oft über Lieferwagen in der zweiten Reihe schimpfen, empfiehlt, die Verwarn- und Bußgelder zu reduzieren. Für den Fall „mit Behinderung“ genügten 55 Euro. Nur bei Gefährdung oder Sachbeschädigung sollte ein Punkt fällig werden, „und die Fahrer liefen nicht Gefahr, innerhalb einer Arbeitswoche ihre Fahrerlaubnis aufgrund des Erreichens der Achtpunktegrenze zu verlieren“.
VCD geht Entwurf nicht weit genug
Dem fahrradaffinen Verkehrsclub Deutschland (VCD) geht der Entwurf hingegen nicht weit genug. Er fordert, das unerlaubte Halten oder Parken auf Schutzstreifen, auf Rad- oder Gehwegen, auf Busspuren, Carsharing-Parkplätzen oder innerhalb der Fünfmeter-Parkverbotszone an Straßenecken oder vor Ampeln und Zebrastreifen mit mindestens 100 Euro und grundsätzlich auch einem Punkt zu ahnden. Einig sind sich ADAC, DSLV und der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) in der Forderung, dass mehr Möglichkeiten zum kurzen Halten – zum Beispiel zwecks Ein- oder Ausladens von Waren oder Ein- und Aussteigenlassen von älteren Personen – geschaffen werden sollten. Die beiden Logistikverbände fordern konkret, in die Novelle eine Regelung für die Einrichtung gesicherter Lieferzonen aufzunehmen. Der KEP-Verband BIEK hatte schon im Februar 2019 auf einer eigenen Veranstaltung vorgeschlagen, Ladezonen künftig mit einem an das Taxistandzeichen angelehnten Schild kenntlich zu machen, und dafür Unterstützung von Vertretern aller Bundestagsfraktionen erhalten.
Ohne Ladezonen geht es nicht
Nach Aussagen von Branchenvertretern hatte Scheuer zuletzt sogar fest zugesagt, eine solche Regelung in die StVO-Novelle aufzunehmen; geschehen ist das allerdings nicht. Nach Einschätzung des DSLV werden die bisher von Kommune zu Kommune unterschiedlich gekennzeichneten Ladezonen oft durch andere Verkehrsteilnehmer belegt. „Die Regelung einer speziell den Fahrzeugen der Logistikdienstleister vorbehaltenen Ladezone mit eigenem Verkehrszeichen in Verbindung mit einem Halteverbot würde die Erfordernisse an den Schutz aller Verkehrsteilnehmer mit denen an eine reibungslose Innenstadtlogistik optimal in Einklang bringen“, heißt es in der Stellungnahme für das Bundesverkehrsministerium (BMVI).
BIEK: Fahrradschutzstreifen nutzen
Der BIEK plädiert darüber hinaus dafür, zu Zwecken des gewerblichen Be- und Entladens auch das Halten auf Fahrradschutzstreifen zu erlauben, sofern ein freier Parkplatz in zumutbarer Entfernung vom Haltepunkt nicht zur Verfügung steht. Bei der Ladezonenfrage geht zumindest die Lastenradbranche teilweise mit. Die Novelle sieht ein neues Zusatzschild „Lastenrad“ vor, mit dem unter anderem ausdrücklich Lastenrad-Ladezonen kenntlich gemacht werden sollen, was der Radlogistik-Verband Deutschland (RLVD) ausdrücklich begrüßt. Er bemängelt allerdings genauso wie der Fahrradklub ADFC, dass mit der Novelle das Abstellen von Fahrrädern am Fahrbahnrand oder auf Seitenstreifen verboten werden soll. Damit würden die teilweise sehr breiten und voluminösen Lastenräder auf die Gehwege verbannt und so neue Konflikte mit Fußgängern heraufbeschworen.