Symposium Pharmalogistik: Supply Chain im Blick

16. Okt. 2020
Corona hat die Bereiche Pharma und Gesundheitswesen wieder in den Fokus gerückt. Ziel ist jetzt, die Herstellung von Arzneimitteln und anderen Medizinprodukten wieder nach Europa zu verlagern. Dies ist auch eine Chance für Pharmalogistiker, um neue Kunden zu gewinnen und das eigene Dienstleistungsportfolio auszuweiten. Und auch Grund für ein trans aktuell-Symposium zu diesen Themen. Es fand als Präsenztermin bei Unitax-Pharmalogistik in Berlin mit etwa 50 Teilnehmern statt, natürlich unter Einhaltung der Coronaauflagen. Im ersten Teil ging es hauptsächlich um Best Practice und Potenziale im Pharmabereich.
Lieferengpässe vermeiden
Steven Reinhold, Gastgeber und Geschäftsführer sowie CFO von Unitax-Pharmalogistik, ging der Frage nach, wie sich Lieferengpässe bei Arzneimitteln vermeiden lassen. Selbst bei Produkten, von denen die wenigsten erwartet hätten, dass sie knapp würden, kam es in Zeiten von Corona zu Lieferengpässen, Stichwort Klopapier. Mit Blick auf Medikamente erklärte Reinhold, Lieferengpässe seien in diesem Bereich nichts Neues, doch sie nähmen weltweit zu.
Neue Möglichkeiten für Pharmalogistiker
Beispiele: Zwischen 2000 und 2018 haben sich Lieferengpässe bei Generika in der EU verzwanzigfacht, seit 2008 verzwölffacht. 2019 waren 18 Millionen Fertigarzneimittel, die über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden, in Apotheken nicht verfügbar. Was ist die Ursache dafür? Laut Reinhold hauptsächlich eine „Ökonomisierung des Markts“. Das heißt unter anderem, dass sich die Produktion auf wenige Fabriken konzentriert, denn je höher das Volumen, desto wirtschaftlicher die Herstellung. Und: Die Fabriken befinden sich in nur wenigen Regionen. Doch die Konzentration auf wenige Hersteller bedeutet zugleich ein hohes Risiko für Lieferausfälle. Für die Pharmalogistik böten sich einige Möglichkeiten, um dem abzuhelfen. Zum Beispiel eine Erweiterung der Lagerkapazitäten, um zum einen größere Bestände vorzuhalten. Zum anderen, um längere Lieferzeiten abzufedern und spontan eine steigende Nachfrage zu befriedigen.
Als ebenso wichtig erachtet Reinhold eine vorausschauende Planung der Lieferkette. Das heißt konkret eine Anpassung der Nachschubversorgung mit längeren Vorlaufzeiten sowie eine Verlagerung auf weitere Verkehrsträger, um die Transportkapazitäten zu erhöhen. Ebenso bedarf es einer Bestandsführung in Echtzeit, um die Frage zu beantworten: Welche Mengen stehen zur Verfügung? Auch sollten Pharmalogistiker die Krankenhäuser und Apotheken dabei unterstützen, Bestände an unterschiedlichen Lagerplätzen und Zwischenlagern zentral zu erfassen und laufend zu aktualisieren.
Reinhold fordert Umbau der Logistikinfrastruktur
Mittel- und langfristig fordert Reinhold jedoch einen Umbau der Logistikinfrastruktur. Konkret würde das einen Ausbau von Straßenverkehren bedeuten, idealerweise mit E-Fahrzeugen und mit anderen alternativen Antrieben, ebenso die Einrichtung mehrerer Mikrohubs, insbesondere im urbanen Raum. Doch auch Drohnen sollte man demnach in die Distribution einbeziehen.
Abhängigkeit muss ein Weckruf sein
Dr. Klaus-Peter Jung, Mitglied der Geschäftsleitung der Beratungsgesellschaft Miebach Consulting, zitierte aus einer global angelegten Studie zum Thema „Supply Chain Management Pharma & Life Sciences“. Eine Quintessenz daraus: Die Abhängigkeit von China bei aktiven pharmazeutischen Wirkstoffen (API) oder von Indien bei Generika sollte ein Weckruf sein, die Pharma-Supply-Chain neu auszurichten zugunsten einer vermehrten Produktion in Asien, Europa und den USA.
Supply-Chain-Partner arbeiten mit zentraler Datenbasis
Christoph Klaus, Geschäftsführer des Pharmaunternehmens Klosterfrau, das unter anderem für Klosterfrau Melissengeist bekannt ist, ging noch einen Schritt weiter. Um Lieferengpässe zu vermeiden, sollten verschiedene Szenarien durchgespielt werden. Zum Beispiel: Was passiert bei einer zweiten Welle oder einem erneuten Lockdown? Die Digitalisierung könne helfen, schneller auf unvorhersehbare Ereignisse zu reagieren, erklärte der Geschäftsführer. Konkret könnte dies bedeuten: Alle Partner der Supply-Chain arbeiten an einem Netzwerk mit einer zentralen Datenbasis. Allerdings gelte es zu bedenken, so brachte es Klaus auf den Punkt: „Ein neues System mit einer alten Organisation ist eine teure alte Organisation.“