Transportbranche muss mit Staus an den Grenzen rechnen
Angesichts der Flüchtlingskrise hält Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Grenzschließungen für unumgänglich. Die Transportbranche muss dauerhafte Behinderungen des freien Warenverkehrs befürchten.
Der Minister aus Bayern, der aufgrund seines Amtes eigentlich im Sinne des Verkehrsflusses und des freien Warenverkehrs für offenen Grenzen einstehen müsste, ist das erste Mitglied des Bundeskabinetts, das sich offen gegen die Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen. Wir müssen das mit den anderen Ländern auf der Reiseroute der Flüchtlinge zügig absprechen“, sagte der CSU-Politiker dem „Münchner Merkur“.
Der BGL rät deshalb dem Gewerbe, sich auf ein solches Szenario einzustellen. „Ich würde das nicht leichtfertig nur als heiße Luft bezeichnen. Es kann gut sein, dass man vor den Landtagswahlen zeigen will, dass der Rechtsstaat noch existiert“, sagte Prof. Karlheinz Schmidt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Die Schließung nationaler Grenzen habe einen sehr hohen Preis, gibt der Deutsche Speditions- und Logistikverband DSLV zu bedenken.
Merkel hatte wiederholt darauf hingewiesen, dass der Binnenmarkt massiv leiden würde, gingen die Schlagbäume wieder herunter. Auch der Euro werde nur mit offenen Grenzen Bestand haben, sagte die Bundeskanzlerin bei einem Wirtschaftsempfang am 11. Januar in Mainz. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, warnte ebenfalls davor, wieder Grenzen einzuführen. Dies sei nicht nur leichtsinnig sondern brandgefährlich, betonte sie. „Kaum ein Land profitiert so stark vom freien Warenverkehr in Europa wie wir, die Nachteile wären immens“, sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende der „Passauer Neuen Presse“.
Transportunternehmen, die jetzt Verträge abschlössen, müssten gegenüber dem Auftraggeber auf einem Nachverhandlungsrecht bei Grenzstörungen bestehen, betonte Schmidt. Werde eine solche Aktion nämlich tatsächlich umgesetzt, dauere es Wochen und Monate, bis ihre Sinnlosigkeit eingesehen und sie wieder rückgängig gemacht werde. „Grenzkontrollen bedeuten, dass ich nicht nur ins Fahrerhaus vorn hineingucke, sondern ich müsste auch überall die Plane hochheben, um zu sehen, ob da Flüchtlinge drauf sitzen“, sagte er. Das verursache Grenzstaus, die sich die deutsche Außenwirtschaft eigentlich nicht erlauben könne.
Grenzschließungen würden die zeitlich eng getakteten und kontinuierlichen Güter- und Warenströme erheblich behindern, unterstreicht DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster. Auch wenn die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Logistik dies kompensiere, würden die Logistikkosten und -preise dadurch in die Höhe getrieben. „Die Bundesregierung muss die Folgen von Grenzschließungen für die Wirtschaft deshalb sehr sorgfältig prüfen und dauerhafte Behinderungen des freien Warenverkehrs vermeiden“, sagte er.
Ganz konkrete Folgen einer solchen Maßnahme: Es würden mehr Fahrer - die ohnehin knapp sind - und Fahrzeuge gebraucht. Denn wer an der Grenze im Stau steht, transportiert nichts. „Wo früher ein Lkw unterwegs war, müssten dann anderthalb oder zwei fahren, um die gleiche Transportmenge und Transportleistung zu erbringen. Das würde ein teure Angelegenheit“, betont Schmidt. Zudem hätten die im vergangenen Jahr bereits einmal eingeführten Kontrollen nichts gebracht. Wenn die Flüchtlinge nicht mehr über die Straße kommen könnten, kämen sie zu Fuß über grüne Grenzen.
„Es ist die Frage, wie viel tausende Kilometer Grenze man befestigen will“, räsoniert Schmidt. Dass ein Elektrozaun allein dabei nicht ausreiche, sehe man an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, der die Migranten nicht abhalte. Und die Kontrollen am Ärmelkanal an der Grenze zu Großbritannien führten schließlich auch nur dazu, dass die Flüchtlinge vom Fahrzeug heruntergeholt würden. „Danach stellen sie sich hinten wieder an, um ihre nächste Chance mit einem anderen Lkw zu bekommen.“