Umweltverbände fordern Verlagerung auf Schiene

17. Nov. 2020
Nach dem Nutzfahrzeuggipfel des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) gibt es reichlich Kritik an den geplanten Maßnahmen. Umweltverbände fordern die Verlagerung auf die Schiene statt die Fahrzeughersteller zu unterstützen.
Im Vorfeld des erneuten Treffens von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Vertretern der Automobilindustrie am heutigen Dienstag kritisiert etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) „Steuergeschenke an die Automobilindustrie“.
BUND: „Geld für gutverdienende Konzerne“
„Staatliches Geld in Milliardenhöhe fließt für teils gutverdienende Konzerne offenbar viel einfacher als für andere Branchen, die dieser Gelder tatsächlich bedürften. Dass jetzt überhaupt schon wieder über Kaufprämien für Verbrenner spekuliert wird, diesmal für Lkw, zeigt, dass es aus Sicht der Konzerne einfach immer so weitergeht“, sagt Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des BUND. „Zu viele Autos und Lkw fahren zu viele Kilometer auf immer neuen Autobahnen. Diese seit Jahrzenten bestehende Logik gilt es endlich zu durchbrechen.“
Ladestruktur Aufgabe der Wirtschaft
Unter anderem wehrt sich der BUND gegen einen „Ladegipfel“, weil aus seiner Sicht die Wirtschaft und nicht die öffentliche Hand für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene Pkw zuständig sei. Stattdessen sollte der Bund Geld in die Elektrifizierung der öffentlichen Verkehre mit Bus und Bahn investieren. Sollten dennoch öffentliche Gelder fließen, muss klar geregelt werden, dass bei einer Ladesäule mit zwei Ladepunkten einer dieser Punkte für die öffentliche Nutzung, beispielsweise für stationsgebundenes Carsharing, Taxis oder den städtischen Lieferverkehr reserviert sein muss, so eine Mitteilung des BUND.
DUH gegen „Kaufprämie für Lkw“
Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) spricht sich gegen eine weitere Förderung „klimaschädlicher Fahrzeuge“ aus. Anstelle von Kaufprämien für Diesel-Lkw brauche es eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene sowie Instrumente zur Förderung CO2-freier und -sparsamer Antriebe, unter anderem durch eine veränderte Besteuerung und Maut. Zudem sollten Schadstoffemissionen von Lkw im Fahrbetrieb systematisch und flächendeckend kontrolliert werden.
Automobilindustrie hat das Sagen
„Während die Schweiz erfolgreich den Gütertransport auf die Schiene verlagert und den Straßengüterverkehr systematisch verteuert, kämpft Autominister Scheuer für weitere Vergünstigungen des Straßengüterverkehrs in Deutschland“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. In einer Mitteilung äußert sich Resch dahingehend, dass im Verkehrsministerium nicht der Minister, sondern die Automobilindustrie die Entscheidungen treffe. „Mit seinem Eintreten für eine Befreiung der Spediteure vom kommenden CO2-Preis und den absurden fünfstelligen Kaufprämien für Euro-6-Diesel-Lkw verabschiedet er sich von der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene.“
Kontrolle von Lkw-Emissionen gefordert
Laut Resch versäume es Scheuer nicht nur, bei Pkw eine wirksame Abgasreinigung auf den Weg zu bringen, sondern versage auch bei der Kontrolle von Lkw-Emissionen. Damit spielt Resch auf aktuelle Messergebnisse der DUH an, die zeigen würden, dass vor allem defekte oder manipulierte Lkw massiv zur Luftbelastung beitragen und einen verdoppelten Ausstoß von gesundheitsschädlichem Stickoxid verursachen.
Einnahmenverluste durch CO2-Konzept
Auch das Thema CO2-Bepreisung stößt der DUH sauer auf. Durch eine geplante Verrechnung mit der neuen Lkw-Maut würden dem Staat jährlich Einnahmen in Höhe von rund 400 Millionen Euro entgehen, zudem verpuffe der Anreiz zum Umstieg auf verbrauchsarme Fahrzeuge. Die Kosten für die Lkw-Abwrackprämie werden laut DUH mit Verweis auf Medienberichten mit 500 Millionen Euro für die Jahre 2020 bis 2022 beziffert. Die Kaufprämie sieht demnach einen Zuschuss beim Tausch von Euro-5-Lkw von 15.000 Euro vor, beim Tausch von Euro-3- oder Euro-4-Fahrzeugen von 10.000 Euro.
Resch kritisiert „destruktives Verhalten“
Resch kritisiert weiter, dass Deutschland im Pkw-Segment den Anschluss an die Elektromobilität bereits verloren habe. Dass „ausgerechnet parallel zu vorhandenen Schienenstrecken Infrastruktur für Oberleitungs-Lkw“ geschafft werde, zeige „die destruktive Haltung des Vertreters der Autokonzerne im Bundeskabinett Andreas Scheuer gegenüber der Schiene“.
Piraten kritisieren „Subvention“ für VW
Auch die Fraktion der Piraten in Niedersachsen übt Kritik an einer geplanten Lkw-Subvention und mutmaßt, dass damit allein die Fahrzeughersteller – allen voran Volkswagen – unterstützt werden sollen.
„Mit seinen Marken MAN und Scania ist der Konzern nicht nur potenzieller Nutznießer einer derartigen Bezuschussung, sondern auch noch der Anstoßgeber für diese Initiative. Das ist purer Lobbyismus der öffentlichsten Art und an Dreistigkeit kaum zu überbieten“, wird Thomas Ganskow, Vorsitzender der Piraten Niedersachsen und deren Spitzenkandidat zur Bundestagswahl 2021, zitiert. Sollten die Pläne umgesetzt werden, widerspräche dies der Forderung des niedersächsischen Umweltministers Lies (SPD), nur noch in klima- und artenschutzfreundliche Projekte zu investieren.
Nach eigenen Angaben strebt die Piratenpartei Deutschland eine Verkehrswende zu umweltfreundlicher Mobilität mit der verstärkten Einbindung des Schienenverkehrs im Gütertransport an.