Urteil: Spedition haftet auch ohne Nummernschild
Nach einem Verkehrsunfall muss ein Kläger nicht zwingend das Kennzeichen des am Unfall beteiligten Lkw nennen. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt hervor. In dem Fall war eine Spedition auf Schadenersatz verklagt worden.
Geklagt hatte ein Pkw-Fahrer, der nach eigenen Angaben auf der Autobahn A3 auf dem mittleren Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit von 170 bis 180 km/h unterwegs war; neben ihm, auf der rechten Fahrspur, ein Lkw-Gliederzug mit der Firmenaufschrift „X“ sowie aufgedruckter Web-Adresse der Firma. Im Zusammenhang mit einem Spurwechsel des Lkw auf den Mittelstreifen wich der Autofahrer auf den linken Fahrstreifen aus, verlor die Kontrolle über seinen Pkw, kollidierte mit der linken Betonleitwand und überschlug sich.
Der Geschädigte wurde lebensgefährlich verletzt und ist seitdem pflegebedürftig. Der Fahrer des Lkw hielt zunächst auf dem Seitenstreifen an und fuhr dann nach rund elf Minuten weiter, ohne zuvor Feststellungen zu seiner Person und seinem Fahrzeug ermöglicht zu haben.
Spedition auf Schadenersatz verklagt
Der Pkw-Fahrer verklagte die italienische Spedition, die er als Halter des Lkw ausgemacht hatte, auf Schadenersatz. Zuerst vor dem Landgericht Darmstadt, das die Klage abgewiesen hatte, danach wandte sich der Kläger an das Oberlandesgericht Frankfurt.
Die Frage war, ob auch ohne Kenntnis des amtlichen Nummernschildes und nur anhand der Umstände auf die Halterschaft der Spedition geschlossen werden kann. Denn der gesamte Unfallhergang wurde zwar auf der am Unfallort installierten Verkehrsbeeinflussungsanlage per Video aufgezeichnet, das Nummernschild ließ sich aber nicht identifizieren.
Darlegungslast bei der Beklagten
Nach Ansicht des OLG Frankfurts (Az.: 13 U 226/15) sei aber aus der Videoaufzeichnung ersichtlich, dass der am Unfall beteiligte Lkw die Firmenaufschrift der beklagten Spedition trage. Auch die Heckgestaltung des Lkw entspreche derjenigen der Lkw-Flotte der Beklagten. Dieser Vortrag habe eine sogenannte sekundäre Darlegungslast der Beklagten ausgelöst. Die Spedition habe also nicht einfach die klägerischen Behauptungen bestreiten dürfen, sondern sei im Rahmen des Zumutbaren auch verpflichtet gewesen, in ihrem Geschäftsbetrieb nachzuforschen und mitzuteilen, welche Kenntnisse sie dabei über die Umstände einer eventuellen Unfallbeteiligung – insbesondere der drei Lkw, die unstreitig am Unfalltag die Autobahn im Bereich der Unfallstelle befahren hätten – gewonnen habe.
Keine Infos aus Mautdaten, Fahrtenschreiber
Dieser Verpflichtung sei die Spedition nicht ausreichend nachgekommen, weil sie weder zum Fahrzeugtyp der drei in Frage kommenden Lkw etwas vorgetragen noch Lichtbilder oder Fahrtenschreiberdaten vorgelegt habe. Außerdem habe sie anhand der Mautdaten nicht rekonstruiert, welcher Lkw am Unfalltag die Unfallstelle befahren habe. Die Beklagte habe auch nicht bestritten, dass der in den Unfall involvierte Lkw den Firmennamen sowie die Webadresse der Beklagten auf den Hecktüren des Laderaums und unter der Frontscheibe getragen habe. Dass andere Unternehmen eine wortgleiche Firma und auch diese Webadresse nutzten, erscheine höchst unwahrscheinlich.
Das OLG Frankfurt hat daher der Berufung des Pkw-Fahrers auf das vorinstanzliche Urteil stattgegeben. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann vor dem BGH die Zulassung der Revision begehrt werden.