USA: Gesetzesentwurf gegen Fahrerausbeutung
Die kalifornische Regierung will gegen Containertrucker vorgehen, die ihre Fahrer ausbeuten. Die Kunden sollen mit in die Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette genommen werden. Könnte das Vorhaben auch als Vorbild für Deutschland und andere europäische Länder dienen, in denen die Diskussion über Lohn- und Sozialdumping neu entbrannt ist? In den USA jedenfalls werden weitreichende Initiativen oft von anderen Bundesstaaten übernommen, wie in der Vergangenheit etwa in den Bereichen Umweltauflagen und Müllvermeidung.
Auftraggeber kommen mit in die Verantwortung
Der in Kalifornien verabschiedete Gesetzentwurf SB1402 sieht vor, eine Liste derjenigen Speditionen zu erstellen, die gegen sie verhängte Geldbußen wegen Arbeitsrechtverstößen nicht bezahlt haben. Auftraggeber, die weiterhin mit den gelisteten Unternehmen zusammenarbeiten, werden für künftige Verstöße finanziell haftbar gehalten. Noch in diesem Monat soll Gouverneur Jerry Brown von den Demokraten das Gesetz unterzeichnen oder kippen.
Hintergrund sind Recherchen der Zeitung USA Today, die voriges Jahr massive Verstöße gegen Arbeitsbedingungen von Transportunternehmen aufgedeckt haben. Dabei gehe es um Dutzende Unternehmen, die Hinterlandverkehre von und zu den größten US-Häfen Los Angeles und Long Beach betreiben und für große Einzelhändler wie Target oder Costco tätig sind, wie die Zeitung schreibt. Die gegen sie verhängten Geldbußen belaufen sich auf mehr als 40 Millionen US-Dollar. Oft sei es schwer, die Beträge einzutreiben, da die Firmen schließen und unter anderem Namen weitermachen.
Containertrucker treiben Fahrer in die Schulden
Laut USA Today haben die Containertrucker als Folge von kostenpflichtigen Umweltauflagen vor einem Jahrzehnt gezielt Fahrer in die Schulden getrieben, abhängig gemacht und quasi rund um die Uhr fahren lassen. Die Fahrer würden in Schuldknechtschaft gehalten und müssten gefährlich lange für wenig Lohn arbeiten, bestätigt die kalifornische Legislative in dem Entwurf.
Sie zitiert die USA Today, wonach Fahrer gezwungen würden, ihre Lkw zu finanzieren, was sie sich aber nicht leisten könnten. „Fahrer können jederzeit gekündigt werden und verlieren das Geld, das sie für den Lkw gezahlt haben“, heißt es. Außerdem zögen ihre Arbeitgeber von den Gehaltsschecks Geld für andere Geschäftsausgaben ab – was zu Armutslöhnen führe. Bewusst bereichern sich die Trucking-Unternehmen demnach auf Kosten der besonders Schwachen: „Hafentransportfahrer sind überwiegend Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund und besonders anfällig für Ausbeutung“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Seit mehr als einem Jahrzehnt sei die Ausbeutung von Fahrern in den großen Häfen bekannt. Schätzungen zufolge sind 25.000 Fahrer zwischen den kalifornischen Häfen und den Verteilzentren im Hinterland im Einsatz.
Experte bezeichnet Liste als "Liste der Superschurken"
Die Zeitung USA Today zitiert den Logistikexperten Shawn MacDonald, Chef des Beratungsunternehmens Verité, der von einem starken Signal der Regierung spricht. Er bezeichnet die geplante schwarze Liste als „Liste der Superschurken“ und geht davon aus, dass das Vorhaben eine Blaupause auch für andere US-Staaten ist.
Die Fahrervereinigung OOIDA, die für 160.000 Mitglieder, davon 5.380 in Kalifornien spricht, begrüßte die Pläne der Regierung. Mike Matousek, der OOIDA-Verantwortliche für Regierungsangelegenheiten, sagte, die Hafenfahrer arbeiteten unter schrecklichen Bedingungen und seien völlig unterbezahlt. Auch er spricht von einer modernen Form der Knechtschaft. Fahrer werden demnach unter falschen Versprechungen geködert – mit der Perspektive, gut bezahlt zu werden, einen eigenen Lkw zu besitzen und unabhängig vom traditionellen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis zu werden. „In Wahrheit müssen sie draufzahlen, werden niemals einen Truck besitzen und haben null Unabhängigkeit.“