VDA fordert Mentalitätswandel und Politikwechsel
Für den Verband der Automobilindustrie (VDA) gibt es im Hinblick auf die Automobilbranche Grund zur Sorge. Beim Jahresauftakt des Verbands fordert Hildegard Müller, Präsidentin des VDA, die richtige Weichenstellung für einen Neustart. Sie bangt zudem um den Standort Deutschland und verlangt Erleichterungen für die Wirtschaft, auch für den Hochlauf der E-Mobilität.
Für die Automobilbranche, aber auch für die Wirtschaft insgesamt, fordert sie einen Mentalitätswandel und einen Politikwechsel, um Wachstum und Wohlstand zu erhalten sowie Klimaschutz zu erreichen.
Minus bei den Absatzzahlen 2024
Dr. Manuel Kallweit, Chef-Volkswirt des VDA, berichtete, dass in Europa der Absatz schwerer Nutzfahrzeuge im abgelaufenen Jahr aller Voraussicht nach – die Daten für das vierte Quartal liegen noch nicht vor – um etwa 12 Prozent zurückging. Die Konjunktur in der Anhänger- und Aufbautenindustrie, bereits seit längerem im Rückwärtsgang, zeigte sich schwach mit minus zwei Prozent bei Anhängern. Bei schweren Sattelanhängern über sechs Tonnen gab es ein Munis von elf Prozent. Das Zulassungsniveau, so der VDA, lag damit niedriger als im Jahr 2020, dem konjunkturellen Tiefpunkt der Covid-Pandemie. Für 2025 prognostiziert Kallweit immerhin eine „Normalisierung“ der Nutzfahrzeug-Konjunktur und einen Rückgang von lediglich zwei Prozent in Europa.
Grund genug für VDA-Präsidentin Hildegard Müller, zum Jahresanfang die richtige Weichenstellung für einen Neustart zu fordern. Im Hinblick auf eine neue US-Regierung, eine neue EU-Kommission und eine im Februar bevorstehende Bundestagswahl fordert sie beispielsweise, Geo- und Wirtschaftspolitik endlich zusammen zu denken.
In einer virtuellen Pressekonferenz sagte sie zudem, weder Populismus und Schwarzmalerei noch Schönfärberei helfe in der jetzigen Situation. Und auch kein Politikentwurf, der den Eindruck eines „Weiter-so“ vermittle.
Speditionen warten auf Netzanschluss
Konkret sprach Müller die Themen Nachhaltigkeit und CO2 an: So werde es immer deutlicher, dass die EU die selbstgesteckten Klimaziele nicht einfach durch das In-den-Markt-bringen von E-Fahrzeugen erreichen könne. „Unsere Industrie ist lieferfähig, auch bei E-Lkw für den Straßengüterverkehr“, sagte Müller. „Aber was bringt das, wenn Speditionen mehrere Jahre auf einen Netzanschluss warten müssen – so steigt keiner auf die E-Mobilität um“.
Die Politik müsse auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, etwa durch eine neue Energiepolitik und einen schnelleren Aufbau von Ladeinfrastruktur. „Auch ein Vorziehen der Überprüfung der CO2-Flottengrenzwerte gehört dazu – 2025 für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, 2026 für schwere Nutzfahrzeuge“, sagte Müller. Nur dann könnten Anpassungen für einen erfolgreichen Hochlauf der E-Mobilität erfolgen.
Hochlauf der Elektromobilität bei den Nutzfahrzeugen erst am Anfang
Laut Chef-Volkswirt Dr. Manuel Kallweit steht der Hochlauf der Elektromobilität bei den Nutzfahrzeugen erst am Anfang: In den ersten neun Monaten 2024 wurden insgesamt in Deutschland 2.377 oder 3,4 Prozent EV-Trucks über 3,5 Tonnen zugelassen. „Je größer und schwerer, desto niedriger der Elektro-Anteil am Gesamtmarkt“, sagte der Experte. Und laden können diese Lkw aktuell an lediglich 160 öffentlichen Ladepunkten für schwere Nutzfahrzeuge. „Das muss für eine Flottenumstellung unbedingt verbessert werden“, sagte der VDA-Experte.
Laut Hildegard Müller ist die Wirtschaftsleistung der deutschen Automobilindustrie zwar weiterhin hervorragend und die Branche weltweit erfolgreich. Allerdings zeige sich der Standort Deutschland als international zunehmend weniger wettbewerbsfähig – mit entsprechenden negativen Folgen.
2025 bis 2029 wollen die Unternehmen demnach rund 320 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Ebenso planen sie zusätzlich 220 Milliarden Euro an Sachinvestitionen, insbesondere in die Werke. Alarmierend sei, dass inzwischen der Hauptanteil dieser Investitionen auf Engagements der deutschen Firmen im Ausland zurückzuführen sei. Vor allem mit Blick auf die vom Export abhängigen Arbeitsplätze könnte dies große und noch unabsehbare Folgen für viele Regionen Deutschlands haben, sagte Müller und nannte als Beispiel eine Verlagerung der automobilen Produktion.
Ausbau der Energienetze, weniger Bürokratie
Die Forderungen Müllers an die Entscheider aus der Politik spiegeln im Kern die Forderung aller Wirtschaftsunternehmen wider: eine Reform für niedrigere Netzentgelte für Unternehmen, im Rahmen der Elektromobilität ein schnellerer Ausbau der Energienetze sowie Energie-Partnerschaften mit anderen Ländern, damit das Laden von E-Fahrzeugen billiger wird. Außerdem eine bessere Infrastruktur und mehr Praxistauglichkeit beim Thema Digitalisierung und KI, weniger Bürokratie seitens der EU und eine praxistauglichere europäische Gesetzgebung.
Für Unternehmen in Deutschland brauche es zudem die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, bessere Abschreibungsbedingungen, eine Flexibilisierung der Verlustrechnung und die Einführung einer Investitionsprämie für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Speziell für den Mittelstand müsse sich die deutsche Politik in Brüssel für eine Anpassung der EU-Taxonomie und Bankenregulierung einbringen. Und: Berlin müsse künftig eine führende Rolle dafür einnehmen, die Interessen der Wirtschaft in der EU zu vertreten und sich massiv um die Stärkung des heimischen Standortes kümmern – mit einem marktorientierten Aufbruch.