Verbände fordern schnelle Hilfe für Fahrer

30. März 2020
Unternehmer kämpfen ums wirtschaftliche Überleben, die Fahrer werden immer unzufriedener. Daher fordern die Verbände schnelles Handeln.
Schon abseits der Krise ist der Fahrerjob für Berufskraftfahrer kein Zuckerschlecken. Viele beklagen schlechte Bezahlung, fehlenden Respekt und schlechte Infrastruktur an den Autobahnen. Schon unter normalen Bedingungen sind sie oft den überhöhten Preisen der Raststätten ausgeliefert und finden direkt an den Fahrspuren nicht immer die nötige Ruhe, um zwischen den Fahrzeiten anständig zu schlafen.
In der Corona-Krise verschärft sich die Situation zunehmend. Teilweise werden den Fahrern sanitäre Anlagen verweigert, die Verpflegung ist eingeschränkt. Gleichzeitig verlängert das BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) die Lenkzeiten, um einem Kollaps der Lieferketten Herr zu werden. Immer öfter werden nun sogar Stimmen laut, die zum Streik aufrufen. Selbst wenn das für die Fahrerschaft gar nicht so ohne Weiteres möglich ist, ist es doch zwingend notwendig, die Gründe für den Unmut möglichst schnell anzugehen.
Scheuer: Toilettencontainer aufstellen
Immerhin hatte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schon in der vergangenen Woche in einer Pressekonferenz beteuert: „Ich werde das nicht mehr akzeptieren, dass die Brummifahrer schlecht behandelt werden.“ Nachdem er immerhin die Kabotage-Lockerung wieder vom Tisch gefegt hat, will er sich nun auch um die Fahrer kümmern. Schon vergangene Woche hatte Scheuer betont, man wolle besser nach den Toiletten auf Autobahnparkplätzen schauen. Nun will Scheuer auch die fehlende Versorgung an neuen Stau-Hotspots wie den Landesgrenzen angehen. Bedingt durch die Grenzkontrollen stehen Fahrer teils stundenlang im Stau, oft ohne auch nur ansatzweise ausreichende Infrastruktur. „Wir wollen Wasch- und WC-Container da aufstellen, wo sie besonders benötigt werden, aber zurzeit keine Waschgelegenheiten vorhanden sind“, zitiert das Portal ntv.de den Verkehrsminister.
Verbände stellen Forderungen auf
Dass schnellstens etwas passieren muss, fordern auch verschiedene Branchenverbände. „Lkw-Fahrern muss erst recht in Krisenzeiten möglich sein, auf Autobahnraststätten zu essen, zu duschen und auf die Toilette gehen zu können. Warme Speisen und Körperhygiene müssen auch außerhalb der von den Ländern wegen des Coronavirus verfügten Schließzeiten für Restaurants sichergestellt werden. Wenn ich höre, dass Fahrern der Zugang zu Toiletten und Waschräumen verwehrt wird, geht mir die Hutschnur hoch. Kurzfristige Hilfen garantieren nicht nur unsere Versorgungssicherheit, sondern sind für die Branche überlebenswichtig“, fordert Mathias Krage, Präsident des Gesamtverbandes Verkehrsverbände Niedersachsen (GVN). „Dass es in der aktuellen Corona-Krise volle Regale in den Geschäften gibt, ist maßgeblich ein Verdienst der Mitarbeiter der Transportunternehmen. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, diejenigen bestmöglich zu unterstützen, die durch ihren Einsatz die Aufrechterhaltung der Lieferketten und die logistische Grundversorgung der Bevölkerung gewährleisten. Es gibt Länder, die sich mit vergünstigtem Essen an Raststätten und sauberen Sanitäranlagen für die Lkw-Fahrer einsetzen, damit sie ihre wichtige Arbeit auch in der Corona-Krise erfüllen können. Das sollte für alle Länder ein Vorbild sein“, sagt GVN-Hauptgeschäftsführer Benjamin Sokolovic.
Auch der Verband Verkehrswirtschaft und Logistik (VVWL) stößt in dieses Horn: „Bei allem Verständnis für die Sorge um das eigene Personal ist es aus unserer Sicht schon immer ein absolutes Unding, einem Menschen die Grundbedürfnisse zu verweigern. Gerade jetzt ist so etwas jedoch eine brisante Fehlentscheidung, die die Gesundheit aller gefährdet, schließlich geht es nicht nur um die Notdurft. Die Lkw-Fahrer müssen sich die Hände waschen können – in Zeiten von Corona muss man doch wirklich nicht mehr erklären, wie wichtig Handhygiene ist“, mahnt Horst Kottmeyer, Vorsitzender des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik NRW. „Lasst die Fahrer nicht im Stich.“
Auch Verlader müssen umdenken
Der Landesverband Bayerischer Spediteure (LBS) nimmt in diesem Zusammenhang noch einmal explizit auch die Verlader in die Pflicht. „Während vielerorts den Fahrerinnen und Fahrern – wie unter normalen Umständen auch – eine Gelegenheit zum Besuch von Toiletten oder Waschräumen gewährt wird, häufen sich Berichte darüber, dass ihnen der Zugang verwehrt wird", berichtet Sabine Lehmann, Geschäftsführerin des LBS. Damit würden die Arbeitsbedingungen für jene weiter erschwert, die unter Hochdruck daran mitarbeiten, die Versorgungsketten im Land am Laufen zu halten. Laut dem Verband sei es auch befremdlich, dass teilweise bestellte Waren nicht angenommen werden, weil Fahrer keine umfassende Schutzkleidung tragen. „Ein solches Verhalten können unsere Mitgliedsunternehmen und die betroffenen Fahrer in Zeiten, in denen es um die Aufrechterhaltung der Lieferketten geht, nicht verstehen", sagt Lehmann. Die Ausrüstung sei sogar in Krankenhäusern knapp. Die Chancen stünden also umso schlechter, dass eine Spedition ihre Fahrer aus reiner Vorsicht damit ausrüsten könne. „Es ist durch und durch kontraproduktiv, wenn wegen solch künstlicher Barrieren wichtige Sendungen nicht zum Empfänger gelangen." Viel wichtiger wäre, dass der Fahrer am Ladeort einfach in seiner Kabine bleiben kann. Sicherheitsstandards seien verständlich. Es passe aber nicht zusammen, einerseits zu betonen, wie dringend wir funktionierende Lieferketten brauchen, die Fahrer aber im Gegenzug wie Risikoträger zu behandeln. „Die öffentlichkeitswirksam gefeierten ,Helden der Straße‘ fühlen sich in solchen Momenten im wahrsten Sinne des Wortes als ,schmutzig‘ und nicht willkommen."