Vergleich LNG- mit CNG-Lkw: Flüssig im Verkehr

28. März 2014
Der Erdgasantrieb hat sich als Alternative zum Diesel im Langstreckenverkehr nicht durchgesetzt. Nun könnte Euro 6 der Türöffner für den sauberen Antrieb sein. Wie gut das gelingt, versuchen Iveco Stralis 440S33 LNG und Scania P 340 CNG zu beweisen.

Wer mit einem schweren Lkw im überregionalen Verkehr im Wortsinn Gas gibt, muss dafür schon gute Gründe haben. So sehr der Erdgasantrieb im urbanen Tür-zu-Tür-Verkehr oder im Kommunaleinsatz mit leisem Motorlauf und recht günstigen Kraftstoffkosten punktet, so sehr spricht die bislang begrenzte Reichweite und das dünn gesäte CNG-Tankstellennetz gegen den Erdgasantrieb auf großer Reise. Das Leistungsangebot der eher schwachbrüstig wirkenden Triebwerke reicht für einen gestandenen 40-Tonner selten aus. Und die meist verbauten Wandler-Automaten passen nach landläufiger Meinung mit ihrer Schaltstrategie nicht zur neuen Ökonomie im Fernverkehr.

Iveco und Scania wollen Erdgas langstreckentauglich machen

Iveco und Scania wollen die Erdgasskeptiker Lügen strafen und bieten langstreckentaugliche Erdgas-Modelle auf Basis ihrer schweren Baureihen an. Bei Iveco, wo man sich bereits seit 1998 intensiv mit dem Gasantrieb beschäftigt und in den vergangenen zehn Jahren bereits 24.000 Cursor-8-Erdgasantriebe meist für Busse und Kommunalfahrzeuge gefertigt hat, markiert ein acht Liter großer Sechszylinder mit Miller-Verbrennungsverfahren, handgeschaltetem ZF-16-Gang-Getriebe und 330 PS die Leistungsspitze der gasgetriebenen Fraktion.

Bei Scania kommen zwei neun Liter große Fünfzylinder mit 290 und 340 PS zum Einsatz. Der 340 PS starke Reihenmotor im Topmodell leitet seine Kraft an einen Allison-Automaten weiter, der über sechs Fahrstufen verfügt.

Scania setzt auf gasförmiges Erdgas

Beide Motoren erfüllen neben der Euro-6-Norm auch die strengen niederländischen Piek-Geräusch­limits. Und beide Triebwerke brauchen zur Einhaltung von Euro 6 nur einen nachgeschalteten Drei-Wege-Katalysator. Abgasrückführung (AGR), SCR-Kat, Partikelfilter und Zusatzbetriebsstoffe benötigen die beiden Erdgas-Trucks dagegen nicht.

Erdgas bunkern die beiden Lkw indes auf zweierlei Weise. Während der Scania acht jeweils 80 Liter fassende Gastanks mit bei 200 bar Druck gasförmigen Erdgas (CNG) mitführt, setzt der Iveco auf ein LNG-Reservoir mit 185 Kilo Fassungsvermögen für das ultratiefgekühlte und so verflüssigte Erdgas. Damit verringert sich das Tankvolumen auf 568 Liter drastisch, die Reichweite steigt entsprechend auf langstreckentaugliche 850 Kilometer.

Die Krux der seit 2012 vor allem in den Niederlanden in rund hundert Einheiten laufenden LNG-Flotte: Am Ende des Trips sollte möglichst eine der noch äußerst raren LNG-Zapfsäulen stehen. Sonst muss sich der LNG-Iveco mit seinem 280 Liter fassenden Nottank für konventionelles Erdgas begnügen.

Ansprechverhalten verlangt nach Handschalter

So weit zur Theorie, wie ist der Fahreindruck der beiden Gas-Trucks hinter dem Volant? Beim Iveco Stralis Hi-Road steht eine veritable Fernverkehrs-Sattelzugmaschine mit LNG-Tank auf der rechten Rahmenseite bereit.

Im Cockpit warten keine Überraschungen. Der Lkw gleicht seinen Diesel-Brüdern in fast allen Details. Nur ein veränderter Grünbereich auf dem Drehzahlmesser und ein Kippschalter zum Umschalten von CNG-Betrieb auf die LNG-Anlage charakterisieren den Erdgas-Stralis als Fremdzünder.

Das handgeschaltete 16-Gang-Getriebe verschwindet im Fernverkehr aus Komfortgründen immer mehr, im Gas-Lkw ist es allerdings obligatorisch. Mit einer automatisierten Schaltung à la ZF-AS-Tronic kann der Sechszylinder wegen des leicht phasenverschobenen Ansprechverhaltens (noch) nicht umgehen. Hebt man den Fuß vom Gas, bleibt der Motor noch einen Wimpernschlag lang unter Last. Zu lange, um mit der blitzschnellen Schaltlogik eines Getriebecomputers zu harmonieren.

Drehmomentverlauf erfordert andere Schaltstrategie

Im normalen Fahrbetrieb stört das allerdings kaum. Dazu ist man vielmehr mit dem eifrigen Ausdrehen des auf einem Dieselblock basierenden Ottomotors beschäftigt, der auch mit Teilausladung mit den 1.300 Newtonmeter Durchzugskraft großen Wert auf dieseluntypische Drehzahlen legt, um im Verkehr mitzuschwimmen. So steht das Drehmomentmaximum frühestens bei knapp 1.200/min an, die Höchstleistung erst ab 1.800 Touren. Folglich ist der Griff zum Schalthebel häufiger angesagt als gewohnt, was vor allem im Stadtbetrieb schnell lästig wird.

Neben dem subjektiv spürbaren Drehmomentmanko gegenüber einem Diesel im unteren Drehzahlbereich fällt vor allem das niedrige Motorgeräusch auf. Rund zehn bis zwölf dB(A) leiser blubbert der Gas-Sechszylinder vor sich hin, ein gutes Argument vor allem in der nächtlichen City.

Ein Freund leiser Verbrennungstöne ist auch der Fünfzylinder im Scania P 340 CNG. Das Neun-Liter-Triebwerk basiert wie der Iveco-Sechszylinder auf einem Dieselrumpfmotor und spricht ebenso spontan auf Leistungsabfrage an wie sein italienischer Mitstreiter.

Retarder muss Motorbremse ersetzen

Das nicht vorhandene Motorbremsmoment des Ottomotors kann der Automat auch nicht ersetzen. Dazu bedarf es eines Retarders, den Scania hier verbaut. Für die Kraftübertragung kommt ein sechsstufiger Allison-Automat zum Einsatz, der den gängigen Ressentiments gegenüber den Wandlergetrieben wie harte Schaltschläge träges Ansprechen und hoher Verbrauch erfreulich wenig entspricht. Vielmehr übersetzt der Automat die Gaspedalbefehle recht spontan und deutlich dynamischer als beim ­Iveco in Vortriebsarbeit.

Warum der Schwede mit dem Gas-Herzen subjektiv flinker wirkt, erklärt sich beim Blick auf die Motordaten. Hier schieben 1.600 Newtonmeter bereits ab 1.100/min an – Werte, die in dieser Leistungsklasse durchaus auf Diesel-Niveau liegen. So kann der kompaktere Erdgas-Scania den CNG-Pionier Iveco beim direkten Kräftemessen auf Platz zwei verdrängen.

Wenn es allerdings tatsächlich um Reichweite geht, hat der Italiener wieder die Nase vorn – immer vorausgesetzt, es findet sich eine LNG-Tankstelle, um den Rückweg auch wieder antreten zu können.