Wasserstoff: Lohnt sich die eigene Produktion?

16. Aug. 2022 Newsletter / Betrieb & Technik
Im kommenden Jahr testet Logistikdienstleister Dachser zwei Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzelle. Im Vorfeld hat das Unternehmen die Studie „H2 Infrastruktur und Logistik“ in Auftrag gegeben. Sie zeigt: Bei allem Optimismus bleiben große Herausforderungen und Ungewissheiten auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.
Die Hochschule Kempten sollte im Auftrag von Dachser günstige Standorte für den möglichen Einsatz von Brennstoffzellen-elektrischen Lkw finden. Zu klären war, wo und wie derzeit überhaupt Wasserstoff hergestellt wird, wo H2-Lkw betankt werden können und wie diese Standorte mit Blick auf das Jahr 2025 zum Firmen-Netzwerk passen. Insgesamt wurde der Zeitraum bis 2030 betrachtet.
Lohnt sich die Eigenproduktion von Wasserstoff?
Unter der Leitung von Prof. Werner Mehr haben die Wissenschaftler des Forschungszentrums Allgäu außerdem untersucht, ob am Standort Freiburg im sonnigen Baden eine Eigenproduktion von Wasserstoff technisch und wirtschaftlich machbar ist. Die letzte Frage ist schnell beantwortet – mit einem klaren „Nein“. Denn derzeit nutzt Dachser seinen mit Photovoltaik erzeugten Strom direkt intern für Maschinen, Beleuchtung oder Kühlung.
Wasserstoff-Herstellung unwirtschaftlich
Was dann noch übrigbleibt, macht in Freiburg zwischen 7.000 und 8.000 Jahrestonnen aus. „Die maximal mögliche Menge der Wasserstoff-Produktion reicht lediglich, um einen einzigen Wechselbrücken-Gliederzug im Jahr rund 80.000 Kilometer zu bewegen“, sagt Andre Kranke, der beim Unternehmen den Bereich Forschung und Entwicklung vertritt. Eine eigene Herstellung sei zwar technisch, aber derzeit nicht wirtschaftlich darstellbar, ergab die Studie. Die Erzeugungskosten von Wasserstoff sind sehr hoch, der Prozess ist mit einem signifikanten Energieverlust verbunden.
Keine konkreten Tankstellen-Pläne
Was die Tankstellen angeht, so gibt es der Untersuchung zufolge europaweit derzeit 168 öffentliche Wasserstoff-Tankstellen, die mit 700 bar aber hauptsächlich auf Pkw ausgelegt sind. Immerhin knapp die Hälfte dieser Tankstellen steht in Deutschland, aber nur an 56 Tankstellen in ganz Europa könnten Nutzfahrzeuge mit der Druckstufe 350 bar betankt werden. „Bisher gibt es keine konkreten Pläne zum Ausbau der Tankstellen-Infrastruktur für Nutzfahrzeuge in Europa“, heißt es in der Studie.
46 Dachser Standorte sind geeignet
Als „besonders geeignet“ für einen Betrieb von Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw haben sich die vier Dachser-Standorte Hamburg, Magdeburg, Köln und Herne erwiesen. Sie erfüllen die in der Studie festgelegten drei Kriterien der maximalen Entfernung von 200 Kilometern zu einem Produktionsstandort, eine räumliche Nähe zum geplanten Pipeline-Netz „European Hydrogen Backbone“ sowie Lkw-Tankstellen in einem Radius von maximal zehn Kilometern. Insgesamt 42 Standorte gelten als geeignet, da sie die ersten beiden Punkte abdecken.
Diesel zunächst unersetzlich
Kranke betont, wie wichtig es ist, Erfahrungen in der Wasserstoffanwendung zu sammeln. „Wir stehen am Anfang eines Transformationsprozesses in der Logistik.“ Die beiden neuen Lkw seien mit Reichweiten von 400 Kilometern ja noch keine wirklichen Fernverkehrsfahrzeuge, aber viele Dachser-Standorte befänden sich an der richtigen Position, „sodass wir dieser Technologie begegnen können“. Moderne Euro-6-Diesel-Lkw werden Kranke zufolge in diesem Jahrzehnt noch die wichtigsten Fahrzeuge sein. Es handele sich derzeit um die einzige in Europa flächendeckend verfügbare, umweltfreundliche Technologie.