Wissing will Bahn-Probleme lösen

23. Juni 2022 Newsletter / Management & Organisation
Die Verkehrspolitik will die Schieneninfrastruktur auf Vordermann bringen und dabei völlig neue Wege gehen. Angesichts der vielen Baustellen und damit verbundenen Störungen im Netz machen sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bahn-Chef Richard Lutz nun für eine umfassende Modernisierung und Generalsanierung stark.
Dabei ist das Ziel klar, wie Wissing am Mittwoch vor der Presse in Berlin deutlich machte: Ihm schwebt ein Hochleistungsnetz vor, von dem Personen- wie Güterverkehr profitieren sollen. Auf diesen stark gebuchten Korridoren soll es zu keinen Stockungen mehr kommen. Aktuell gelten rund 3.500 Streckenkilometer als hoch belastet, 2030 dürften es bei einem angenommenen weiteren Wachstum bereits mehr als 9.000 Kilometer sein.
Doch wie erfolgt das Upgrade dieser Korridore zum Hochleistungsnetz? Wissing hält drei Punkte für entscheidend, um diese Hauptachsen fit für die Zukunft und mehr Verkehr zu machen: Die Baumaßnahmen sollen gebündelt werden, es wird stärker in Richtung Modernisierung gedacht, und beim Baustellenmanagement sollen die Kunden stärker eingebunden werden.
Bündelung von Baustellen auf der Schiene
Was heißt das nun konkret? Beispiel Bündelung: Bisher arbeiten bei anfallenden Sanierungen die Gewerke hintereinander statt Hand in Hand. Die Verantwortlichen für Schwellen und Schotter, Gleise und Weichen, Signale und Stellwerke oder Bahnsteige rückten bedarfsweise für sich an – primär dem Zustand und Alter folgend, wie das Bundesverkehrsministerium (BMDV) erklärt. Die Folge: Ein und dieselbe Strecke musste in der Vergangenheit mitunter innerhalb kürzester Zeit mehrfach gesperrt werden. Damit soll nun Schluss sein, weil die Arbeiten gebündelt über alle Gewerke hinweg stattfinden sollen. „Komprimierte Generalsanierung über alle Gewerke hinweg“ heißt die Devise. Die Hoffnung: „Die Strecke wird einmal gesperrt und ist dann für viele Jahre baufrei.“
Beispiel Modernisierung: Die Sanierung aktuell folgt der Prämisse, die Dinge 1:1 zu erhalten und nach Verfügbarkeit der Mittel aus einzelnen Programmen, etwa zum Bestandserhalt, zur Elektrifizierung oder Lärmsanierung. Nach Abschluss der Arbeiten ist der Status quo wieder hergestellt, eine Verbesserung gegenüber vorher gibt es nicht. Ab sofort soll das Motto lauten: „mehr als 1:1-Ersatz“, wie das BMDV erklärt. Die Generalsanierungen sollen fortan mit Maßnahmen zur Erhöhung der Kapazität und Robustheit verbunden werden. Verkehrspolitik und Bahn wollen zum Beispiel leistungsfähigere Komponenten einsetzen und das Augenmerk mehr auf Prävention und Digitalisierung richten. Ein Aspekt dabei ist, dass wieder mehr Wechselweichen zum Einsatz kommen sollen. Das reduziert die Strecke, auf der ein Zug bei Bauarbeiten auf dem Gegengleis fahren muss. Die nötige Signaltechnik wird in beide Richtungen verbaut, sodass Züge auch auf das Gegengleis mit voller Geschwindigkeit befahren können.
Wissing: Baustellenmanagement verbessern
Beispiel Baustellenmanagement: Bisher gab der Geldbeutel vor, wie gebaut wurde. Weil Dinge immer so kostengünstig wie möglich in Angriff genommen wurden, konnten laut BMDV keine Potenziale für schnelleres oder kundenfreundliches Bauen ausgeschöpft werden. Neuerdings sollen die ausführenden Gewerke „hochverdichtete und kapazitätsschonende Bauverfahren“ zur Anwendung bringen, was die Einschränkungen für den Personen- und Güterverkehr deutlich reduzieren soll. Wichtig für Bahnunternehmen, Operateure und ihre Speditionskunden: Ausdrücklich erklärt das Ministerium, dass alle Maßnahmen im engen Dialog mit allen beteiligten Akteuren erfolgen sollen.
Was kurzfristig auf der Schiene helfen soll
Diese Punkte werden allerdings erst mittel- und langfristig beim Sanieren der Korridore Entlastung bringen. Daher haben Wissing und Lutz zusammen drei kurzfristig greifende Maßnahmen vorgestellt, die zur Entschärfung der aktuellen Situation beitragen sollen. Punkt eins ist ein Notservice: Wird gebaut, sollen Bahnen leichter auf Nebenstrecken ausweichen können – und sei es mit Dieseltraktion, wenn die Strecke noch nicht elektrifiziert ist. „Dies ist eine Maßnahme speziell zur Stabilisierung des Güterverkehrs und der logistischen Versorgung wichtiger Schlüsselindustrien“, heißt es.
Punkt zwei heißt Dispo 2.0: Die Disposition auch auf den Güterverkehrskorridoren sowie die frühzeitige Kommunikation mit den Verkehrsunternehmen soll verstärkt werden. Drittens setzt die Bahn auf ein zunehmendes „Vegetationsmanagement“. Die Maßnahme zielt darauf ab, durch einen stabileren Waldbestand entlang der Strecken die Resilienz angesichts der Wetterextreme infolge des Klimawandels zu erhöhen.
Was sich Wissing von den Maßnahmen verspricht: „Ich erwarte, dass wir in Zukunft wieder die Uhr nach der Bahn stellen können und bin sehr zuversichtlich, dass wir das gemeinsam mit der Branche auch schaffen.“