Zukunftskongress: Lkw-Antriebe der Zukunft

21. Nov. 2019
Die Mobilität der Zukunft wird auf einer Vielzahl an Antriebstechnologien basieren. Darüber herrschte Einigkeit beim Zukunftskongress Nutzfahrzeuge 2019, veranstaltet von DEKRA in Kooperation mit lastauto omnibus, trans aktuell und Tele Traffic. Abhängig ist das Ganze vom Einsatzzweck, den Distanzen, Lasten und anderen Faktoren. Welche Antriebsart in Zukunft aber konkret welches Potenzial und welchen Anteil haben wird, darüber gingen die Meinungen weit auseinander. Großen Einfluss wird hier nach Ansicht der Experten der regulatorische Rahmen haben – seien es die künftige EU-Gesetzgebung oder die Ausgestaltung der Lkw-Maut in Deutschland. Und nicht zu vergessen: die Rolle der Verlader.
IRU: Verlader müssen sich an Mehrkosten beteiligen
„Unsere Unternehmen kaufen in Europa 1.000 Lkw täglich“, erklärte Matthias Maedge als Vertreter der International Road Transport Union (IRU). „Wir können nicht sagen: Wir machen morgen alles anders.“ Nur wenn der Verlader oder Spediteur, der einen alternativ angetriebenen Lkw in der Ausschreibung verlange, sich auch an den Mehrkosten beteilige, sei die Flottenumrüstung und Abkehr vom Diesel möglich.
Ins gleiche Horn stieß Thomas Fabian, verantwortlich für Nutzfahrzeuge beim europäischen Fahrzeug-Dachverband ACEA. „Ein vollelektrischer Batterie-Lkw kostet gegenüber einem Diesel-Lkw das Drei- oder Vierfache“, sagte er. Um das zu stemmen, brauche es die nötigen Rahmenbedingungen, um daraus für Hersteller und Anwender ein Geschäft zu machen. Nach der aktuellen Gesetzgebung müssen sich die Hersteller auf eine CO2-Minderung von 30 Prozent bis 2030 und in einem Zwischenziel auf eine CO2-Minderung von 15 Prozent bis 2025 einstellen.
Transport & Environment: Weg vom Verbrenner
Die Nutzfahrzeugexperten der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) halten die EU-Vorgaben für sinnvoll, um erstens die Klimaziele zu erreichen und zweitens die Marktreife von alternativ angetriebenen Fahrzeugen zu beschleunigen. „Mit diesen Vorgaben wird das Angebot an Null-Emissions-Lkw zunehmen“, zeigte sich T&E-Mann Stef Cornelis überzeugt. Für ihn ist die Botschaft klar: „Wir müssen weg vom Verbrenner.“
Ein Gasfahrzeug, das mit fossilen Energieträgern unterwegs ist, ist für ihn daher keine wirkliche Option – obgleich zurzeit immer mehr mittelständische Spediteure LNG-Fahrzeuge in ihre Fuhrparks aufnehmen und das Tankstellennetz wächst. Die positiven Erwartungen hinsichtlich der Treibhausgase und Stickoxide hätten sich bei der Gesamtbetrachtung (Well to wheel) nicht erfüllt, sagte Cornelis und verwies auf einen Test mit LNG-Fahrzeugen aller drei Anbieter durch seine Organisation.
Shell plant zehn LNG-Tankstellen in Deutschland
Zahlreiche Anwender wie naturgemäß auch Gaserzeuger, sehen die T&E-Ergebnisse aber kritisch. „Wir stimmen mit Ihren Schlussfolgerungen nicht überein“, erklärte Dr. Jörg Adolf, Chefvolkswirt von Shell Deutschland Oil, an die Adresse von Cornelis. Er sieht ein immenses Potenzial für Gasfahrzeuge in Deutschland. Zurzeit sind es 39 Tankstellen in sechs Ländern, die der Energieriese in Europa betreibt. Für Deutschland plant er bis Ende nächsten Jahres ein Netz aus zehn LNG-Tankstellen.
Der Frischedienstleister Meyer Logistik kommt aufgrund eigener Erfahrungen ebenfalls zu einer anderen Bewertung des LNG-Themas. Knapp 40 mit dem Flüssigerdgas angetriebene Trucks hat das Unternehmen im Einsatz. „Unsere Werte sagen aus, dass wir eine wahnsinnige CO2-Ersparnis von bis zu 23 Prozent erzielt haben“, bilanzierte Geschäftsführer Matthias Strehl. Diese Werte seien wissenschaftlich untermauert, variierten jedoch je nach eingesetztem Auflieger und Fahrer. „Nach fast vier Jahren kann ich sagen: LNG ist ein voller Erfolg.“ Er könne jedem nur naheliegen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Und wenn es auch nur eine Brückentechnologie ist: Investieren Sie dort und probieren Sie es aus“, appellierte Strehl an die Adresse seiner Unternehmerkollegen.
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) verbindet mit Erdgas-Fahrzeugen ebenfalls große Einsparpotenziale. „Man kann warten bis in alle Ewigkeit – oder Technologien nutzen, die schon marktreif sind“, so die Analyse vom kommissarischen Bereichsleiter erneuerbare Energien und Mobilität bei der Dena, Stefan Siegemund. „Das Zero-Emission-Fahrzeug ist heute noch ein Traum“, erklärte er. „Die einzige für alle Anwendungsfälle verfügbare Alternative ist LNG und CNG.“ Durch einen Ausbau der Gasflotten lasse sich die Treibhausgasbelastung bis 2030 um gut sieben Millionen Tonnen reduzieren, prognostizierte er.
Dena: CO2-Bepreisung ohne Effekte
Der wichtigste Hebel in Deutschland, um die Flottenerneuerung voran zu bringen – hier herrschte Konsens – ist die Lkw-Maut beziehungsweise ihre Spreizung. Denn die CO2-Bepreisung – wie sie nun in Deutschland im Raum steht – werde wohl keine größeren Auswirkungen auf den Flotten- und Antriebsmix haben. Die Bundesregierung möchte 2021 mit zehn Euro je Tonne beginnen und das Ganze bis 2025 auf 35 Euro steigern.
Doch selbst ein Preis von 100 Euro je Tonne würde nur etwa einen Aufschlag von 25 Cent pro Liter Diesel bedeuten, so Dena-Mann Siegemund. „Insofern bietet der aktuelle Rahmen keine Anreize zum Umstieg.“ Stattdessen gelte bei der aktuell angedachten CO2-Bepreisung: höhere Steuereinnahmen für den Staat, aber so gut wie keine Hebelwirkung für den Umstieg vom Diesel auf klimafreundlichere Fahrzeuge.
Der entscheidende Treiber, um die Flottenerneuerung zu beschleunigen, sei eine weitere Mautdifferenzierung – gegebenenfalls auch in Form eines Bonus-Malus-Systems für besonders klimafreundliche oder klimaschädliche Fahrzeuge. „Sonst sehen wir kaum Anreize, um alternative Antriebe in größerem Stil auf den Markt zu bringen.“
Förderprogramme sind für den Dena-Experten zwar sinnvoll, aber immer nur temporär. „Förderprogramme sind keine konsistente Strategie.“ Gleichwohl geht Siegemund davon aus, dass die Förderung von Elektro- und Gas-Lkw in den nächsten Jahren in Deutschland fortgeführt wird. Siegemund regt auch an, bei der Gasförderung keine Hängepartie zu riskieren, sondern Gas-Lkw auch über 2020 hinaus zwei bis drei Jahre von der Lkw-Maut auszunehmen.